Der Darm braucht Bewegung – Interview mit Oberarzt Dr. Ziesch

In seinem Vortrag auf dem 4. Gesundheitssymposium der FSG Medizin stellte Dr. med. Matthias Ziesch, Oberarzt am „Bauchzentrum“ des Diakonissenkrankenhauses Dresden das Mikrobiom vor – neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die gesunde Darmflora. Im Anschluss sprachen wir mit ihm über Darmgesundheit und was jeder dafür tun kann:

Dr. Matthias Ziesch
Oberarzt Dr. Matthias Ziesch, Gastroenterologe am Diakonissenkrankenhaus Dresden

Interview

Herr Dr. Ziesch, was ist eigentlich ein Reizdarm?

Reizdarm sagen wir eigentlich nur, weil wir nicht genau wissen, was es ist. Viele Patienten kommen und sagen, dass ihnen der Bauch weh tut. Oder sie kommen mit Verstopfung und Durchfall. Wenn man sie untersucht, zum Beispiel mit einer Darmspiegelung, kommt aber nichts heraus. Dann lautet die Diagnose oft „Reizdarm“.

Kann eine gestörte Darmflora die Ursache sein?

Sie kann, natürlich. Aber auch das lässt sich nur schwer untersuchen. Die Milliarden Bakterien sind immer mit dabei, wenn Sie so wollen und schon deshalb lohnt es sich, Therapieversuche auf pflanzlicher Basis zu unternehmen.  Wie wir das Mikrobiom gezielt beeinflussen können, darüber wissen wir noch sehr wenig.

Das Mikrobiom ist also auch für Sie noch ein neues Thema.

Das ist sehr neu. Und Sie sehen das am Reizdarmsyndrom sehr deutlich. Unter diesem Begriff sind viele Dinge zusammengefasst, für die wir heute noch keine plausible Erklärung haben. Ein weiteres spannendes Thema ist der Zusammenhang zur Fettleibigkeit, also Adipositas. Dafür einen neuen Ansatz zu haben, stimmt mich hoffnungsvoll. Man müsste Patienten in Zukunft nicht einfach sagen: Sie müssen abnehmen sondern könnte mehr über die Ursachen und Zusammenhänge herausfinden, vielleicht auch ein passendes Medikament finden.

Wird das Mikrobiom ihre Arbeit im „Bauchzentrum“, also am Diakonissenkrankenhaus Dresden verändern? 

Die Klinik ist ja sehr auf die organische Krankheit fokussiert. Das Mikrobiom ist noch schwer fassbar. Ich rechne damit, dass wir zum Beispiel Tests bekommen, die uns helfen Risiken zu bewerten. Aber selbst das ist noch Zukunftsmusik. Wir kennen nun jedenfalls die Enterotypen, also die drei dominierenden Keime anhand derer sich das Darm-Mikrobiom aller Menschen grob einteilen lässt. Was es genau für die Therapie von Darmkrankheiten oder anderen Krankheiten bedeutet, wird die Forschung der nächsten fünf bis zehn Jahre zeigen.

Man liest über das Mikrobiom durchaus schon in bunten Zeitschriften. Stimmt mein Eindruck, dass der „Darmtyp“ zu einer neuen Ausrede für mangelnde Bewegung oder Ernährung wird? – Nach dem Motto: Es ist meine spezielle Darmflora, die mich dick macht?

Ich denke schon, dass Menschen immer etwas suchen, um sich zu rechtfertigen. Man kann dem Darm aber nicht für alles die Schuld geben. Am Ende ist doch jeder für sich selbst verantwortlich und jeder trägt durch seinen Lebensstil dazu bei, wie er sich entwickelt. Nicht zuletzt beeinflussen wir durch unsere Ernährung und durch die Umwelt, in der wir uns bewegen das Mikrobiom und die Verdauung. Das sind sehr komplexe Wechselwirkungen. Neuerdings gehen wir sogar davon aus, dass unser Denken, also das Gehirn von Darmbakterien beeinflusst wird. Wie man durchs Leben geht, ist also durchaus eine Frage des guten Bauchgefühls.

Was raten Sie als Arzt, um möglichst eine Klinikbekanntschaft mit Ihnen zu vermeiden?

(lacht) Natürlich eine ausgewogene Ernährung! Das steht nach wie vor an erster Stelle. Außerdem: Bei vielen Patienten habe ich den Eindruck, sie hören zu sehr in sich hinein. Man sollte insgesamt entspannter mit Befindlichkeitsstörungen umgehen. Zum Ausgleich sollte man auf jeden Fall etwas machen, das einen körperlich fordert. Sport und Bewegung sind gut für den Bauch, davon bin ich überzeugt.

Dr. Ziesch, Vielen Dank für das Gespräch!

Ich bedanke mich für die Einladung zu dieser tollen Veranstaltung.

Das Gespräch führte Vereinsmitglied Mathias Priebe.